Freitag, 6. März 2009

Blut und Sprüche

In George Batailles Buch über Nietzsche, das gegen Ende des Krieges erscheint, wird gleich zu Beginn der schöne Satz zitiert: "Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden." Das ist - zunächst unvorsichtig formuliert - eine Gänsehaut erzeugende, affektgeladene Sentenz, ja eine heftig ausladende Sprachgeste, die wie ein aus dem Kontext gerissener Merksatz aus einem Bekennerschreiben anmutet. Wer solch einem Satz das erste Mal begegnet, lässt sich von seiner Dynamik mitreißen - und spürt zugleich, wie man im Innern danach trachtet, ihn durch Verschweigen zu schützen. Der Satz, der so herrisch auftritt, scheint aus Porzellan zu bestehen. In ihm (wie auch im übrigen nietzeanischen Werk) vibrieren die Aufladungen und Ströme des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und so begreift man den Satz auch. Seine Schönheit ist mit ein Resultat aus dem historisch-kritischen Bewusstsein. Der Satz ist Ausdruck gegenüber der Entwicklung der kapitalistischen europäischen Staaten, die sich immer stärker als Großsysteme begreifen, im Innern wie nach außen hin. Der sprachliche Ausdruck steht im Verhältnis zur Konfrontation unterschiedlicher Systemvorstellungen innerhalb der Gemeinschaft. Nietzsche ist dabei fast immer im Selbstbegreifen das Gegensystem, beinahe eine Ein-Mann-Diaspora. Die Gründe für die Unwiederholbarkeit des nietzeanischen Anspruchs findet man unter anderem dann darin, dass seine Sprache dauernd zu einer Feierlich- und Festlichkeit neigt, die bei ungefiltertem Gebrauch heute absolut albern wirken würde. Außerdem äußert sich beispielsweise heutiger diskursiver Widerstand gegen manche Formen von Herrschaft nicht in Postulaten, die den Ab- oder Umbau von Systemen einklagen, sondern dieser richtet sich eher in Enklaven ein - 'Alte' Medien wie Zeitungen und die 'neuen' wie Blogs im Netz sind ja Ausdruck dieser Enklavenkultur.

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