Freitag, 10. April 2009

Webers Protokoll

Von Manuel Karasek
Nach circa 160 Seiten Nora Bossongs Roman "Webers Protokoll" aufgegeben - nachdem man sich mit mehreren 'Lesarten' dem Text versucht hatte anzunähern. Es ging mir während der überflüssig anstrengenden Lektüre durchaus auf, dass Bossong ihr Material gut recherchiert wie gestaltet hatte, doch die komplexe Geschichte eines deutschen Diplomaten, der die Nazis für ordinär hält und in der Nachkriegszeit um seine Wiedereinsetzung in den Staatsdienst kämpft, verlangt etwas mehr als handwerkliche Geschicklichkeit. Ohnehin erinnert "Webers Protokoll" mit seiner Überbeanspruchung literarischer Techniken - die forcierte Mehrebenigkeit der Handlung, die verschachtelte Syntax, die zeitweilig redundante Sprache, welche dann hauptsächlich nur um das gestörte Wahrnehmungssystem ihres Protagonisten kreist (ergo: Webers Verwirrtheit angesichts der brutalen Wirren seiner Zeit thematisiert) - an einen ehrgeizigen Abituraufatz. Natürlich mutet ein solches Urteil herablassend an. Aber der Zuspruch der Kritikerin der FAZ ist - wenn man um Zurückhaltung im Ausdruck bemüht ist - wenig verständlich: Die Schwächen des Romans sind ja unübersehbar. Allerdings ist Nora Bosong jung (Jahrgang 82) - und Talent, das beweisen einige Passagen im Buch, hat sie.